SIGS DATACOM Fachinformationen für IT-Professionals

SOFTWARE MEETS BUSINESS:
Die Konferenz für Software-Architektur
03. - 07. Februar 2020, München

Hippokratischer Eid für IT-Berufe?

Algorithmen steuern die Welt. Sie versprechen, das Leben sicherer und effizienter zu machen. Längst ist klar, dass digitale Technologien nicht nur ein Segen sind, sondern auch Gefahren mit sich bringen. Doch wie steht es um die Moral der Berufsspezies? Mathematiker, Informatiker und Computeringenieure sollten einen hippokratischen Eid ablegen, um die Öffentlichkeit vor den neuen Technologien zu schützen, die derzeit in Laboren und Technologiefirmen entwickelt werden, so die Forderung von Dr. Hannah Fry, Professorin für Mathematik am University College London. Hannah Fry wird am 6. Februar 2020 die Abschluss-Keynote auf der Konferenz für Softwarearchitektur OOP in München halten.

Der Ruf nach einem hippokratischen Eid in der Forschung ist nicht neu
Nach dem Vorbild der Mediziner sollen auch andere Wissenschaftler durch eine solche öffentliche Selbstverpflichtung an moralisches Handeln gebunden werden. Unterstützt wird diese Idee seit Jahrzehnten unter anderem von der Unesco, von zahlreichen Vertretern von Forschungsinstituten, Wissenschaftsverbänden und Ethikkomitees. Mediziner halten sich seit mehr als 2500 Jahren an den hippokratischen Eid, der als ethischer Kodex für ärztliches Handeln zwar nicht verbindlich ist, aber einen hohen Stellenwert genießt.

Im Zuge des zunehmenden Einflusses von Algorithmen auf unseren Alltag, dem wir uns teilweise gar nicht bewusst sind, nimmt die Diskussion um eine ethische Selbstverpflichtung in technischen Berufen erneut Fahrt auf. „Wir brauchen einen hippokratischen Eid, so wie er für die Medizin existiert", fordert die aus unterschiedlichen TED-Talks bekannte Mathematikprofessorin Hannah Fry gegenüber „The Guardian“. In der Medizin lerne man die Ethik vom ersten Tag an kennen, in der Mathematik dagegen spielt sie kaum eine Rolle. Das möchte die Britin gerne ändern: „Ethische Grundsätze müssen vom ersten Tag an im Vordergrund unserer Gedanken stehen“, so ihre Forderung.

Geschlossene Systeme sind nicht Realität
Allerdings ist es etwas anderes, Probleme in der realen Welt zu bedenken als in geschlossenen Systemen. Das weiß auch die 35-jährige Professorin: „Mathematiker, Computeringenieure und Physiker sind so an abstrakte Probleme gewöhnt, dass sie selten darüber nachdenken, ob die Anwendung ihrer Arbeit in der Praxis ethische Regeln verletzten könnte. Ein ethisches Versprechen dagegen, würde die Wissenschaftler verpflichten, gründlich über die mögliche Nutzung ihrer Arbeit nachzudenken und sie dazu zwingen, nur solche Ansätze zu verfolgen, die der Gesellschaft zumindest keinen Schaden zufügen, sagt Fry.

So mahnt Fry, dass Forscher heute Systeme bauen, die persönliche Daten sammeln und verkaufen, menschliche Schwächen ausnutzen und Entscheidungen über Leben oder Tod treffen. „In den Technologieunternehmen dieser Welt finden wir heute meist sehr junge, sehr unerfahrene und oft weiße Männer. Sie wurden nie gebeten, darüber nachzudenken, wie sich die Lebensperspektiven anderer Menschen von ihren unterscheiden, und letztendlich sind dies die Menschen, die die Zukunft für uns alle gestalten."

Hannah Fry im Februar 2020 auf der OOP Konferenz in Deutschland

Hannah Fry wird am 6. Februar 2020 die Chancen und Risiken der modernen Mathematik aufzeigen, wenn sie auf der OOP-Konferenz im ICM München ihre Keynote hält. Der Veranstalter SIGS DATACOM veröffentlichte heute das Programm der Konferenz für Softwarearchitektur. In Ihrem Vortrag „How To Be Human In The Age Of The Machine" wird sie untersuchen, wie Algorithmen jeden Aspekt unseres Lebens infiltriert haben; von welchen Problemen Mathematik ferngehalten werden sollte; und wie wir lernen müssen, wenn Zahlen nicht vertrauenswürdig sind.

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